Muss man bei Humor lachen?

Ich hatte in der Schule einen Mitschüler aus Norddeutschland. Wenn er und seine Eltern sich über etwas unterhielten, verzogen sie keine Miene, während ich vor Lachen fast keine Luft mehr bekam. Dieser „trockene“ Humor lebt davon, dass der Sprecher nicht lacht, dafür aber der Zuhörer um so mehr. Auch ein Clown lacht nicht selbst über seine Missgeschicke. Humor hat also etwas mit tiefer Ernsthaftigkeit zu tun. Und diese Tiefe hat mit uns selbst, mit unserem Temperament, mit unserer Stimmung, mit unseren „Körpersäften“ zu tun, von denen das Wort „Humor“ abgeleitet ist. Es geht also um etwas, das mit unserem inneren Wesen zu tun hat.

Das fastfood theater bekommt viele Anfragen, wie denn „Schlagfertigkeit“ erlernt werden könne. Es soll darum gehen, spontan zu kontern, einen Angriff so abzuwehren, dass er nicht trifft, sondern im besten Fall das Gegenüber. Dies ist mehr spontane Kampfkunst als Humor. Seine humoristischen Verwandten sind der Zynismus, der Sarkasmus und die Ironie. Alles Formen des Humors. Alles Formen, die das Trennende hervorheben, die benutzt werden, wenn Veränderung nicht mehr möglich scheint, wenn eine gewisse Aussichtslosigkeit vorherrscht oder selbst empfundene Machtlosigkeit. Es ist also die Haltung, die bestimmt, welche Form des Humors spontan angewendet wird. Spontaner Humor bringt auf diese Weise häufig eine Wahrheit ans Licht, die wesentlich tiefer verwurzelt ist als ein Witz oder ein Gag. Diese beruhen oft auf einer Pointe, die das Lachen provoziert. Ist das Lachen verklungen, wollen wir mehr vom Witzeerzähler oder versuchen, die möglicherweise peinliche Stille selbst mit einem Witz zu überspielen. Humoristisches Lachen ist dagegen oft mit einem „Ja genau. Stimmt.“ verbunden. Mit einem gemeinsamen Einschwingen. Dem zugrunde liegt eine der Basisübungen allen spontanen Reagierens: „Ja genau, und dann…“ Sich gemeinsam einer Sache widmen und doch mit unterschiedlichen Perspektiven darauf schauen. Darüber lachen können, weil man überrascht von sich und vom anderen ist, ohne dabei recht haben zu müssen. Es ist das Akzeptieren und damit Verarbeiten dessen, was da ist. Und das geht weit über das Lachen hinaus.

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