Improvisieren ist nicht
"irgendwie durchkommen"

von Michaela Paefgen-Laß

Sich durchwurschteln und irgendwie durchkommen: Wer Improvisation skeptisch beäugt, übersieht ein wertvolles Instrument zur Problemlösung von dem besonders Führungskräfte in VUKA- und Corona-Zeiten profitieren können.

(…) Das geopolitische Geschehen, die digitale Transformation, Skandale, Verstöße, Umstrukturierungen oder Klimakatastrophen und Pandemien wie jetzt das Corona-Virus, all das wirft Führungsverantwortliche wie Mitarbeiter aus der Tagesroutine und lässt sie in den Schubladen nach passenden Fahr- und Krisenplänen suchen.

Als Chef zum Schauspieler im Improvisationstheater werden

Aber nicht nur die gefürchteten "Schwarzen Schwäne", die urplötzlich, unerwartet und unheilbringend auftauchen, können Organisationen, Banken und Börsen verwunden. Auch verhältnismäßig kleine Unwuchten innerhalb von Unternehmen wie unzufriedene Mitarbeiter oder holprige Veränderungsprozesse treffen Chefs oft unvorbereitet und fordern sie zu schnellen Lösungsvorschlägen auf. Wäre es nun verantwortungsvoll, die Vorgesetzten einfach mal ins Schauspieltraining zu schicken? (…)

Improvisation heißt, Veränderung anzunehmen

Improvisation ist auf der Bühne und im Leben ein Prozess, der spontan beginnt, ausgelöst durch eine Situation, die bejahend angenommen wird, für die es noch kein Muster gibt und deren Ausgang ungewiss ist. Was zählt, ist die Gegenwart. (...) Auf der anderen Seite punkten die Lerneffekte der Bühne. Theater und Improvisation öffnen den Blick, ermutigen zum Spiel mit neuen Perspektiven, akzeptieren auch abwegige Situationen und setzen auf funktionierende Teams. All das liefert gute Gründe, Improvisation zu einer Führungskompetenz der Zukunft zu ernennen. Denn Führung als Improvisation (Hoppe, Jünger, Esche in "Wie Unternehmen von Theater profitieren können") konstruiert Wirklichkeiten, entscheidet situativ, interveniert systemisch in das Denken und Handeln der Mitarbeiter, hebt sich selbst auf als exklusive Tätigkeit exklusiver Personen in exklusiven Positionen.

Führung mit Improvisation verändern

Trainings, wie sie das fastfood theater München und ähnliche Improtheater-Schulen in ganz Deutschland anbieten, bestärken Führungskräfte und Mitarbeiter darin, "auch unter unsicheren Umständen und ohne klar abgesteckte Hierarchien eigenständig und initiativ handeln zu können". Autorin Susanne Schinko-Fischli überträgt die Prinzipien der angewandten Improvisation auf die Entwicklung von Führungskräften und Coaches. Die Skills, die dabei vermittelt werden, sind:

  • den Partner gut aussehen lassen
  • die Situation bejahen: "ja, und …"-Prinzip
  • in spielerischer Atmosphäre agieren
  • neugieriges Zuhören
  • Akzeptanz
  • Flexibilität/Spontaneität
  • Fokus auf dem Hier und Jetzt
  • Risiken eingehen
  • Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
  • Balance zwischen Freiheit und Struktur

Fazit: Unternehmenstheater als Improvisationstheater, da sind sich Hoppe, Jünger und Esche sicher, "wirkt auf die Ermutigung und Selbstermächtigung des Unternehmens in Veränderungsprozessen, beantwortet den Wunsch des Systems nach externer Heilung einer Störung mit der Ermutigung, die Störung als Entwicklungspotenzial zu sehen und zu akzeptieren, und mit der Ermutigung zur Selbststeuerung".

Sicheres Auftreten, mehr Präsenz, mehr Gelassenheit und mehr Vertrauen in sich und andere sind Nebeneffekte, die sich bei der Theaterimprovisation spielerisch einstellen, im Unternehmensalltag dann anfangen zu wirken.


 

H. J. Hoppe, J. Jünger, T. Esche: "Wie Unternehmen von Theater profitieren können" (S. 18, S. 34), 2017; S. Schinko-Fischli: "Angewandte Improvisation für Coaches und Führungskräfte", 2019; Springer Fachmedien Verlag

Den kompletten Artikel mit Quellenangaben finden Sie unter www.springerprofessional.de/fuehrungsqualitaet/change-management/improvisieren-ist-nicht--irgendwie-durchkommen-/17714580